Wir stimmen mit Nein

Seid rund vier Jahren beraten die Gremien der Stadt Diepholz über die Ansiedlung eines Famila-Verbrauchermarktes östlich der Bahn. Keine einfache Frage, keine einfache Entscheidung für die Ratsmitglieder

Wenn ein Investor an die Stadt Diepholz herantritt und über 12 Mio. € investieren will, darf man es sich nicht einfach machen. Wir Sozialdemokraten haben es uns nicht einfach gemacht. Während des gesamten Zeitraums waren wir darum bemüht zu verstehen, welche Interessen und welche Folgen mit diesem Vorhaben verknüpft sind.

Wir haben als Rat neben den nachvollziehbaren Interessen des Investors auch andere Fragen im Auge zu behalten. Wo liegt das Interesses der Stadt, wo das der Bürger. Welche Folgen hat diese Entscheidung für das Wirkungsgefüge Stadt Diepholz insgesamt. Und wenn wir Gefahren für die Gesamtentwicklung der Stadt sehen, haben wir als Rat die Verpflichtung Nein zu sagen.

Wenn wir die Mehrheitsfraktionen richtig verstehen, geht es ihnen vor allem darum, den Gesetzen der Marktwirtschaft Raum zu geben und Investitionen zu ermöglichen. „Wertbewerb ist nötig und wird gewünscht, Investitionen willkommen“, heißt es. Die Stadt ist schließlich nicht dafür da, „überkommene Strukturen“ zu schützen. Die Wettbewerber, die jahrelang nicht investiert haben, müssen sich „dem Wettbewerb stellen, notfalls aus dem Markt gehen“.

Wir Sozialdemokraten begrüßen natürlich auch nachdrücklich, dass es Investoren gibt, die in Diepholz etwas bewegen wollen. Nach unserem Verständnis und nach Einschätzung des Landkreises verstößt das Vorhaben aber gegen das Beeinträchtigungsverbot.

Was heißt das? „Für […] Diepholz und Rehden besteht die realistische Gefahr, dass der für die grundzentrale Versorgung des zentralen Ortes maßgebliche Vollsortimenter vom Markt gehen muss.“ Wir reden hier von Combi. Was diese Planung für die K&K Märkte bedeutet, liegt auf der Hand. Viele Bürger werden ihren Nahversorger verlieren.

Wir verstehen das Interesse der Bürger, eine attraktive Nahversorgungsstruktur vorzufinden. Dieses Interesse teilen die Bürger östlich der Bahn mit vielen anderen Bürgern, ob sie nun in einem anderen Teil der Stadt wohnen oder in einer Nachbargemeinde. Während ein kleiner Teil der Bürger besser versorgt werden wird, müssen viele andere Bürger die Zeche bezahlen.

Famila ist kein Nahversorger. Der neue Markt wird die bestehenden Strukturen wegfegen. Die Gutachten sprechen auch hier eine deutliche Sprache.

Die Mehrheitsfraktionen gehen davon aus, dass die Innenstadt keinen Schaden nimmt, sondern im Gegenteil davon profitiert. Durch die Ansiedlung wird sich die Innenstadt Richtung Osten erweitern und sogar die Entwicklung in der Bahnhofstraße im besonderen Maße stärken.

Wir Sozialdemokraten haben die Unterlagen, die Gutachten und Stellungnahmen intensiv geprüft. „In der Innenstadt befinden sich aktuell für den periodischen Bedarf Verkaufsflächen von rund 4.400qm (vgl. GfK Kap. 3.3, S. 14). Wenn nun durch das neue Vorhaben an dem geplanten Standort für den periodischen Bedarf eine Verkaufsfläche von 2.900qm hinzukommt, dann kann bei einer Relation von 66% nicht von einer "Unterordnung" des neuen Vorhabens die Rede sein.

Auch die von der GfK prognostizierte Umsatzumverteilung im periodischen Bedarf aus den Innenstadtlagen zugunsten des neuen Vorhabens in Höhe von 2,4 Mio. € pro Jahr oder 13,3% verdeutlicht, dass das neue Vorhaben gegenüber der Innenstadtlage

keine Ergänzungsfunktion wahrnimmt“. Diese 2,4 Mio. €, die der Innenstadt dann fehlen, werden weitere Leerstände zur Folge haben.

Wie äußert sich die IHK zu diesem Thema? „Das Städtebauförderprogramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ hat zum Ziel, zentrale Versorgungsbereiche zu stärken, die durch Funktionsverluste insbesondere gewerblichen Leerstand bedroht oder betroffen sind. […]

Allerdings passen aus unserer Sicht die Teilnahme an dem Förderprogramm und die vorgesehenen großflächigen Einzelhandelsansiedlungen in nicht integrierten Lagen (Groweg und Aralkreisel) nicht zusammen. Rätselhaft bleibt in diesem Zusammenhang ganz besonders, dass im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (Seite 36) bei den Handlungsbedarfen und Maßnahmen zur Erreichung des Entwicklungsziels „Vielseitige und attraktive Innenstadt!“ explizit, - und nach unserer festen Überzeugung – richtigerweise gefordert wird „Keine weitere Ausweisung von Einzelhandelsgebieten außerhalb der Innenstadt“. Genau solche problematischen Ausweisungen nimmt die Stadt aber gerade vor.

Wenn wir Sozialdemokraten die Mehrheitsfraktionen richtig verstanden haben, sehen sie ihre Hauptverantwortung für die Stadt Diepholz und nicht so sehr für die Nachbargemeinden. Wir Sozialdemokraten halten das für falsch und kurzsichtig. Gute Nachbarschaft sieht anders aus. Wie andere halten wir im Übrigen mit den unzureichend bedachten Belangen der Nachbarn auch das Kongruenzgebot für verletzt.

„In Kap. 6.3 "Umverteilungseffekte" geht GfK von folgenden Umsatzanteilen aus: Stadtgebiet: 7,1 Mio €

Gemeinden Barnstorf, Lemförde, Rehden, Steinfeld, Wagenfeld: 2,2 Mio €. Übriges Einzugsgebiet I Rückgewinnung abfliesender Kaufkraft: 1.09 Mio € . Gesamt: 10,4 Mio €. Das ergibt dann einen Anteil der Umsatzumverteilung von außerhalb der Stadtgrenzen in Höhe von 31,6 %.“

„Damit ist das Kongruenzgebot verletzt und steht der beabsichtigten Bauleitplanung im Sinne von § 14 Abs.1 ROG als Ziel der Raumordnung entgegen“, beurteilt der Landkreis diesen Sachverhalt.

Es gibt weitere Argumente aus den Bereichen Umwelt- und Gewässerschutz ebenso wie verkehrspolitische Fragen die auch nach so vielen Sitzungen nicht zufriedenstellend beantwortet sind. Und natürlich ist jedem inzwischen klar geworden, dass hinter dem Bahnhof nicht Innenstadt ist und auch kein zentraler Versorgungsbereich zu finden sein wird. Die Mehrheitsfraktionen haben wahrscheinlich inzwischen zu oft Ja zu diesem Projekt gesagt, um heute Abend mit Nein stimmen zu können.

Wir Sozialdemokraten haben es uns nicht einfach gemacht.

Wir stimmen mit Nein.

(Redebeitrag des Fraktionssprechers der SPD, Manfred Albers, am 14.03.2019 in der Ratssitzung der Stadt Diepholz)